Der Hintergrund

Digitale Religion

Unter der Bezeichnung „Digitale Religion“ wird die Forschung zusammengefasst, die sich mit Religion im Internet und der Nutzung des Internets sowie anderer digitaler Technologien durch Religionsgemeinschaften beschäftigt. In dem umfassenden Sammelband mit dem Titel „Digital Religion: Understanding Religious Practice in Digital Media“ benutzen die Kommunikationswissenschaftlerinnen Heidi Campbell und Ruth Tsuria die Bezeichnung digital religion nicht nur für gegenwärtige Forschung, sondern rückwirkend auch für Untersuchungen von Religionen im „Cyberspace“ die ab den 1990er Jahren durchgeführt wurde. Die beiden Wissenschaftlerinnen teilen die Forschung, die sich seit diesen Anfängen der Beschäftigung mit dem Themenfeld entwickelt hat in Anlehnung an Morten Hojsgaard und Margit Warburg, in fünf Wellen ein. Jede dieser Welle ist durch bestimmte Schwerpunktsetzungen gekennzeichnet und sie folgen grob aufeinander, können sich aber auch überschneiden. Die erste Welle bezeichnen sie als die „beschreibende Welle“, die zweite als die „kategorisierende Welle“, die dritte als die „theoretische Welle“ und die vierte als die „zusammenführende Welle“. Da die fünfte Welle die aktuelle Welle ist, gibt es für diese noch keine abschließende Bezeichnung. Die Einteilung in Wellen sollte nicht zu strikt verstanden werden, da z.B. auch heute noch beschreibend ausgerichtete Arbeiten zu Religion im digitalen Raum erscheinen oder zumindest Bestandteil einer breiter angelegten Forschung sein können. Ganz allgemein gesprochen, ist das Forschungsfeld heute sehr breit und Vertreter:innen verschiedener Fachrichtungen befassen sich mit sehr unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen und zu sehr unterschiedlichen Fragestellungen rund um Religion und Religiosität im digitalen Raum.

Materiale Religion

Der Begriff „Materiale Religion“ bezeichnet einen Ansatz in der Religionswissenschaft, dessen Anliegen es ist, eine Alternative zu einem stark kognitiven Religionsverständnis anzubieten. Vertreter:innen der Materialen Religion richten ihren Blick deshalb verstärkt auf die materiellen Aspekte von Religion und religiösem Leben. Gemeint sind damit sehr unterschiedliche Dinge: Die Rolle des menschlichen Körpers in religiösen Praktiken, die Verwendung von Gegenständen durch religiöse Akteure, bestimmte Gerüche oder andere Sinneswahrnehmungen, Farbschemata, Bekleidungsregeln oder auch Sakralbauten sind Beispiele für materiale Aspekte von Religion. Auch wenn der Fokus auf der Materialität liegt, werden kognitive Aspekte, wie z.B. religiöse Lehren, nicht vollkommen vernachlässigt. Sie werden jedoch für die tatsächlich ausgeübte Religiosität der meisten Menschen als weniger relevant bewertet.

Durch die wichtige Rolle, die den religiösen Akteuren in den Ansätzen der Materialen Religion zugeordnet werden, weist dieser Ansatz auch einen starken praxistheoretischen Anteil auf. Praxistheoretische Ansätze zählen zu den Kulturwissenschaften. In ihnen wird davon ausgegangen, dass Kultur als bedeutungsstiftende Ebene vor allem als praktisches Wissen verstanden werden muss. Damit ist gemeint, dass im sozialen Zusammenleben Praktiken – womit schon einfache Körperbewegungen gemeint sein können – die Träger von Wissen und Bedeutung sind. so wird z.B. das Winken mit der Hand in dem richtigen Kontext als eine Geste des Abschieds oder auch der Begrüßung verstanden. Dies Bedeutung wurde von den Handelnden erlernt, wobei jedoch nicht jede Handlung immer in dem Bewusstsein der mit ihr verbundenen Bedeutung ausgeführt wird. Deshalb wird in der Praxistheorie z.T. auch von einem impliziten und gelernten Wissen gesprochen.

Kulturwissenschaft

Digitale Religion, Materiale Religion aber auch praxistheoretische Ansätze können alle als kulturwissenschaftliche Ansätze bezeichnet werden. Kulturwissenschaft kann sehr unterschiedlich verstanden werden. In meiner Forschung wird Kulturwissenschaft im Sinne der Cultural Studies verstanden, einer bestimmten Richtung der Kulturwissenschaften, die sich etwa in der Mitte des 20. Jahrhunderts in Großbritannien entwickelte, sich aber im Laufe des 20. Jahrhunderts in der theoretischen Ausrichtung veränderte. Manche Aspekte aus den Anfängen der Cultural Studies haben sich durch die weitere Entwicklung hindurch erhalten, so z.B. der Fokus auf gelebte Alltagskultur. Gleiches gilt für die Berücksichtigung von Machtaspekten in kulturwissenschaftlichen Untersuchungen aus dem Bereich der Cultural Studies. Erst im späteren Verlauf wurden die Ansätze durch poststrukturalistische Theorien, wie die Jaques Derridas, Michel Foucaults oder auch Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes Hegemonietheorie ergänzt.

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